5G Private Networks

Mobilfunk für den Campus

 10.05.2021     Provider

Seit dem kommerziellen Start von 5G im Sommer 2019 wird immer häufiger über 5G Private Networks oder 5G Campus-Netzwerke berichtet. Seit November 2020 können sich Unternehmen für den Aufbau firmeneigener 5G Campus-Netzwerke auch private 5G Frequenzen sichern. Aber was macht diese 5G Netzwerke aus? Wie sind sie definiert, welche unterschiedlichen Betriebsmodelle gibt es und um welche Frequenzen handelt es sich hierbei? In diesem Artikel (Blog) wollen diesen Fragen nachgehen und die wichtigsten Fakten zu privaten 5G Netzwerken beleuchten.

5G Private Networks

Bild 1: 5G Private Networks

 

5G Anforderungen und Fähigkeiten

Wichtige Anforderungen an 5G (ITU: IMT-2020 Systeme) wurden von der Industrie forciert mit dem Ziel einer generellen Modernisierung und Flexibilisierung der Datennetzarchitektur des Firmengeländes.

Die Mobilität von Mobilfunknetzen sowie deren ausgefeiltes QoS-Konzept sollten mit den hohen Datenraten und kurzen Latenzzeiten von Festnetz-Firmen-LANs zusammengebracht werden. Ziel war dabei das komplementäre Ergänzen und ggf. partielle Ersetzen von klassischen Firmen-Festnetz- und WLAN-Architekturen.

Grob lassen sich dabei drei Nutzungsszenarien nennen, die vollkommen unterschiedliche Anforderungen an ein 5G Mobilfunknetzwerk stellen.

Massive Internet of Things (MIoT)

Sehr hohe Anzahl an Endgeräten (Sensoren & Aktoren), die Informationen aufnehmen und zur zentralen Weiterverarbeitung übertragen. Hier sind typischerweise geringe Datenraten notwendig und die Anforderungen hinsichtlich der Latenzzeiten gering.

Enhanced Mobile Broadband (eMBB)

Endgeräte, die hohe bis sehr hohe Datenraten (einige MBit/s bis GBit/s) und mittlere Latenzzeiten fordern, zum Übertragen hoher Datenvolumina in kurzer Zeit. Ein Beispiel wäre die hochauflösende Videoüberwachung.

Ultra Reliable Low Latency Communication (URLLC)

Bei diesen Anwendungen kommt es auf extrem hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit an sowie auf ultrakurze Latenzzeiten (wenige Millisekunden), wie man sie von einem Festnetz-Firmen-LAN kennt. Beispiele sind Robotersteuerungen oder fahrerlose Transportsysteme.

 

5G NutzungsszenarienBild 2: 5G Nutzungs-Szenarien


Was ist ein 5G Campusnetz?

Mit dem Begriff 5G Campusnetz bezeichnet man ein geografisch begrenztes, lokales Netzwerk. Da diese Netzwerke nicht für die Öffentlichkeit zur Nutzung vorgesehen sind, spricht man auch von privaten Netzwerken. Ein 5G Campusnetzwerk kann z.B. für Industriebetriebe, Kliniken, Forschungseinrichtungen, Häfen oder Flughäfen sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe eingesetzt werden.

Es muss auf Anwendungen in diesen Bereichen angepasst sein und höchste Anforderungen an die Dienstqualität hinsichtlich Latenzzeit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit sowie Datenrate erfüllen. Um dem gerecht werden zu können sind eigene, lizenzierte Frequenzen notwendig.

3GPP führt die Unterstützung von Campusnetzwerken bzw. privaten Netzwerken offiziell unter dem Begriff Non-Public Networks NPN mit 3GPP Release 16 ein. Dieses 3GPP Release 16, das als 5G Phase 2 offiziell im Juni 2020 abgeschlossen wurde, definiert auch eine Vielzahl von technischen Features, die speziell im industriellen Umfeld von hoher Bedeutung sind, wie z. B. Cellular IoT Support, LAN-Type Services, enhanced Vehicle-to-Something (eV2X) und enhanced Ultra Reliable Low Latency Communication (eURLLC).

 

5G NPN

Bild 3: 5G Non-Public Networks NPN



Topologien & Betreibermodelle für 5G Campusnetze

Oft existiert die Vorstellung, dass 5G Campusnetzwerke als private Netzwerke eine eigene, völlig autonom von öffentlichen Netzbetreibern arbeitende, Netzwerk-Architektur benötigen. Also ein eigenes physisches 5G Netzwerk auf dem Firmengelände. Falsch ist diese Vorstellung nicht – aber diese Möglichkeit stellt nur einen Teil der Realisierungsmöglichkeiten für Campusnetzwerke dar.

SNPN vs Network Slicing Bild 4: 5G Campusnetze: NPN Varianten


Physisch eigene, völlig autonom arbeitende Campusnetzwerke werden im 3GPP Standard als Standalone Non-Public Networks (SNPN) bezeichnet.

Neben den SNPN gibt es aber rein auf öffentlichen Mobilfunk-Netzwerken basierende virtuelle private Netzwerke, die durch eine geografisch begrenzte, lokale Network Slice im Netzwerk des öffentlichen Netzbetreibers technisch umgesetzt wird.

Der Mobilfunkbetreiber stellt hierbei dem Kunden ein vom öffentlichen Mobilfunknetz separiertes privates Netzwerk zur Verfügung, das die gleiche Infrastruktur wie das öffentliche Netzwerk nutzt und nur logisch von diesem getrennt ist. Man spart sich somit den Aufbau eines kompletten Mobilfunk-Kernnetzes für den Campus und die damit einhergehenden höheren Kosten.

Zwischen diesen beiden Extrempositionen an privaten Netzwerken "völlig eigenständig" bzw. "völlig virtuell" gibt es Mischformen, bei denen ein Teil des Netzwerkes physisch vor Ort auf dem Firmengelände umgesetzt wird, andere Teile hingegen im Netz des öffentlichen Netzbetreibers integriert sind (Public Network Integrated NPN).


Separates Campusnetzwerk als Standalone Non-Public Network (SNPN)

Bei einem separaten 5G-Campusnetz/SNPN wird der Campusbetreiber zum lokalen, privaten 5G-Netzbetreiber. Aufbau und Betrieb des separaten 5G-Campusnetzes liegen in der eigenen Verantwortung des Campusbetreibers. Dies kann selbst durchgeführt oder an einen Dienstleister – dies kann auch ein öffentlicher Netzbetreiber sein - delegiert werden. Es besteht keine physische Integration in das öffentliche Mobilfunknetz.

Vorteile sind dabei u.a. höchste Sicherheit gegen Hacker durch physische Separation von anderen Netzen, die Firmendaten verlassen nicht das Firmengelände, eigene Funk-Abdeckungsplanung für Outdoor & Indoor und das Einbeziehen eigener Infrastruktur (Festnetz/WLAN).

Der große Nachteil ist, dass die Erstellungskosten bei diesem Betriebsmodell am höchsten ausfallen. In einer Kalkulation eines separaten Campusnetzwerkes müssen die Erstellungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten berücksichtigt werden.

Standalone Non Public Networks SNPN

5GC 5G Core
AF Application Function
gNB 5G Basisstation bzw. Next Generation NodeB
N3IWF Non-3GPP Interworking Function
NG-RAN Next Generation Radio Access Network
SNPN Standalone Non-Public Network
UPF User Plane Function


Bild 5: Standalone Non-Public Network SNPN


Network Slice

Maximal integriert zeigt sich hingegen das Betriebsmodell eines 5G Campusnetzwerkes als Network Slice. Eine Network Slice stellt ein logisch eigenes Netzwerk innerhalb des 5G Netzes eines öffentlichen Mobilfunkbetreibers dar.

Eine hinreichend gute Funk-Abdeckung am gewünschten Standort durch das öffentliche 5G Netz des Mobilfunkbetreibers ist Grundvoraussetzung für dieses Szenario. Der Campusnetzwerk-Betreiber muss keine Investitionen in eine eigene Netzwerk-Hardware vornehmen – mit Ausnahme der Endgeräte.

Das 5G Funknetz mit Basisstationen und das 5G Kernnetzwerk werden ausschließlich vom öffentlichen 5G Mobilfunkbetreiber gestellt. Bei diesem müssen auch die Nutzer registriert und die Endgeräte mit USIM Karte – klassisch oder als eSIM – versehen sein.

Vorteil: Es fallen keine eigenen Erstellungskosten für den Aufbau des Netzwerks an.
Nachteile: Die Verarbeitung und Speicherung der Firmendaten und Signalisierung findet im Netzwerk des öffentlichen 5G Mobilfunkbetreibers statt. Eine spezifische Abdeckungsplanung für die Firma findet in einer reinen voll integrierten Betriebsform eines 5G Campusnetzwerks nicht statt.

NPN Integrated als Network Slice

Bild 6: Integriertes 5G Campusnetzwerk als Network Slice

 

Mischformen

Zwischen den Extrema eines 5G Campusnetzwerk als Standalone NPN mit einem physisch völlig eigenständigen, vom öffentlichen 5G Mobilfunkbetreiber separierten Netzwerk und der Betriebsform der Network Slice als vollständig integrierter Form gibt es eine Vielzahl an Mischformen.

Dabei kann zum Beispiel das Funknetz des öffentlichen 5G Mobilfunkbetreibers mitgenutzt werden. Gegebenenfalls kann es auch um eine oder mehrere 5G Basisstationen erweitert werden für eine optimierte Abdeckung des Firmengeländes. Das 5G Kernnetzwerk mit Speicherung und Verarbeitung der Firmendaten wird hingegen separat vorgehalten. Somit bleiben die Firmendaten auf dem Firmengelände. Es sind beliebige Optimierungsschritte zwischen Eigenständigkeit und Integration möglich – unter Berücksichtigung der jeweiligen Kosten für Betrieb, Wartung und Instandsetzung.

Lokales Spektrum

Um eine hohe, garantierte Dienstgüte in Mobilfunknetzen erzielen zu können, ist es notwendig, uneingeschränkt über bestimmte Frequenzressourcen verfügen zu können. Daher wurden traditionell Mobilfunkbetreiber mit Funklizenzen ausgestattet.

Dies gilt nun in Deutschland auch für den Betrieb von 5G Campusnetzwerken. Um eine konkurrenzfreie, exklusive Nutzung zu ermöglichen, die volle Kontrolle über die Ressourcenverwendung und Priorisierung der Anwendungen gestattet, hat die Bundesnetzagentur schon im November 2019 ein Zuteilungsverfahren für lokale 5G Frequenzen gestartet.

Der Frequenzbereich von 3700 MHz bis 3800 MHz (100 MHz Gesamt-Bandbreite) wird in Blöcken à 10 MHz für lokalen Campusnetzwerk-Betrieb zur Verfügung gestellt. Dabei fallen vergleichsweise geringe Lizenzgebühren in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer, der Betriebsfläche und der benötigten Bandbreite (Anzahl an 10 MHz Blöcken) an.

Im Januar 2021 startete ein weiteres Zuteilungsverfahren für zusätzliche Frequenzressourcen. Es handelt sich um den Frequenzbereich von 24,25 GHz bis 27,5 GHz (3,25 GHz Gesamt-Bandbreite). Dieser wird in Blöcken à 200 MHz (maximal 800 MHz Bandbreite pro Betreiber) ebenfalls in Abhängigkeit von der Laufzeit, der Bandbreite und der Fläche zur Verfügung gestellt. Es gilt bei beiden Frequenzbereichen das Prinzip "Use it or lose it". Das heißt, dass eine Nutzung nach einer gewissen Zeit der Bundesnetzagentur nachgewiesen werden muss.

Lokale Lizenzen


Bild 7: Lokale Lizenzen für 5G Campusnetzwerke in Deutschland

 

Vorteile von 5G Campus-Netzwerken und Fazit

5G eignet sich hervorragend zur Ergänzung und ggf. auch zum Ersetzen klassischer Firmen-Festnetze und der WLAN-Architektur.

Die Vorteile geschlossener, firmeneigener 5G-Campus-Netze sind vielfältig:

  • flächige Erschließung des Firmengeländes
  • hohe Mobilität und Handover zwischen Funkzellen
  • sehr hohe Datenraten bzw. Bandbreiten
  • ultrakurze Latenzzeiten für Echtzeit-Datenverarbeitung
  • sehr hohe Sicherheit der Datenübertragung
  • sehr hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit
  • niedriger Energiebedarf z. B. für IoT-Sensoren/Aktoren
  • Nutzung geschützter/privater Frequenzbänder

5G Campus-Netzwerke gibt es in verschiedenen Varianten, die individuell auf die jeweilige Firma, ihre Anforderungen und finanziellen Möglichkeiten angepasst werden können.

Wichtige deutsche Industrieunternehmen, Forschungseinrichtungen, Häfen und Flughäfen haben sich lokale 5G Frequenzen gesichert und bereits mit dem Aufbau von Campus-Netzwerken begonnen. Aber auch für kleine und mittelständige Unternehmen bieten sich 5G Campus-Netzwerke an, um anspruchsvolle Industrie 4.0 und IoT Szenarien in die Praxis umzusetzen und sich für künftige Herausforderungen fit zu machen!

 

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